"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Mittwoch, 21. Juni 2017

Willkommen an Bord der "Liberator" – S01/E12: "Deliverance"

Ein Blake's 7 - Rewatch
 
Es hat zwar sehr viel länger gedauert, als ursprünglich beabsichtigt, aber wir nähern uns dem Ende der ersten Staffel von Blake's 7. Wie eigentlich abzusehen war, habe ich es natürlich nicht geschafft, wöchentlich einen Beitrag für den Rewatch zu schreiben, aber ich bin schon ziemlich stolz darauf, dass es mir überhaupt gelungen ist, das Projekt bis hierhin durchzuziehen.Und ich hoffe doch sehr, dass auch ein paar meiner Leserinnen und Leser ein bisschen Spaß mit unser bisherigen Reise hatten.

Die letzten beiden Episoden Deliverance und Orac sind insofern recht interessant, als sie eine Art Zweiteiler bilden, und doch kein "echter" Zweiteiler sind, und auf einer Art Cliffhanger enden, der doch kein "echter" Cliffhanger ist.

Was ich damit meine?
Ziehen wir zum Vergleich den wohl berühmtesten Zweiteiler in der Geschichte der TV - Science Fiction heran: TNG's The Best of Both Worlds (1990). Die Geschichte vom Angriff der Borg auf die Föderation und Picards Assimilation in das Kollektiv wurde zwar nicht in einem Stück geschrieben, und der erste Teil – der das furiose Finale der dritten Staffel von Star Trek - The Next Generation bildete – endet auf einem wahrlich grandiosen Cliffhanger – Will Rikers "Mr. Worf ... Fire!" –, dennoch stellt The Best of Both Worlds eine organische Einheit dar. Alles, was im ersten Teil geschieht, besitzt Bedeutung auch für den zweiten Teil. Die episodische Struktur ist beinah vollständig überwunden.
Völlig anders im Falle von Deliverance und Orac. Die erste Episode legt zwar die Grundlage für ihre Nachfolgerin, bildet jedoch eine distinkte Einheit. Ein Gutteil ihrer Sendezeit wird von einer Geschichte in Anspruch genommen, die nichts mit dem die beiden Folgen verbindenen Thema zu tun hat, und die mit dem Ende von Deliverance zum Abschluss gebracht wird.

Der geniale Computertechniker Ensor hat sich vor Jahrzehnten dem Zugriff der Föderation entzogen. Gerüchten zufolge ist es ihm in der Zwischenzeit gelungen, ein Elektronengehirn von nie gekannter Kapazität zu erschaffen, dem er den Namen "Orac" verliehen hat. Doch unglücklicherweise hat der Wissenschaftler, kurz bevor er sich aus dem Staub machte, einen schweren Herzinfarkt erlitten, und besitzt seitdem ein künstliches Herz. Nun, da die Energiezellen, die den Apparat betreiben, schlappzumachen beginnen, sieht er sich gezwungen, doch wieder Kontakt mit der Föderation aufzunehmen. Als Unterhändler schickt er seinen Sohn (Tony Caunter) zu deren militärischem Hauptquartier. Hinter dem Rücken der politischen Führung schließt Servalan einen Handel mit ihm ab: Ensor Jr. kehrt mit den Energiezellen und einem Militärarzt zu seinem Vater zurück, und im Gegenzug wird dieser Orac für eine astronomisch hohe Summe an die Oberste Befehlshaberin verkaufen. Freilich hat Servalan nicht vor, tatsächlich zu zahlen. Sie sorgt dafür, dass Ensors Sohn und sein Begleiter auf ihrem Rückflug einen kleinen Unfall haben, und plant, danach ganz einfach zusammen mit Commander Travis den Supercomputer einzusammeln, nun da sie das Versteck des todkranken Erfinders kennt.
Doch der Zufall will es, dass die Liberator -Crew den "Unfall" beobachtet und sich auf die Suche nach den beiden Rettungskapseln begibt, die auf der Oberfläche des radioaktiv versuchten Planeten Cephlon eingeschlagen sind. Wieder einmal handelt es sich um die einstige Heimatwelt einer hochentwickelten Zivilisation, die sich durch einen Atomkrieg selbst den Garaus gemacht hat.  Doch anders als in Duel erwarten Avon, Jenna, Vila und Gan hier keine surrealen Szenarien, sondern degenerierte Pseudo-Neandertaler und eine geheimnisvolle Tür in einer Felswand. Es gelingt ihnen, die Kapseln zu bergen. Der Militärarzt ist tot, der schwerverletzte Ensor Jr. wird auf die Liberator gebracht. Doch unglücklicherweise ist Jenna in die Hände der wilden "Scavengers" gefallen, so dass das Landeteam noch einmal auf den kontaminierten Planeten zurückkehren muss, wo es schon bald selbst von den mutierten Höhlenmenschen überwältigt zu werden droht. Rettung naht, als sich plötzlich die mysteriöse Tür öffnet und den Zugang zu einer uralten Raketenkontrollstation freigibt. Hier werden unsere Helden von Meegat (Suzan Farmer) willkommen geheißen, die in Avon den prophezeiten Messias ihres untergegangenen Volkes zu erkennen glaubt, der von den Sternen gekommen ist, um "Erlösung/Errettung" ("Deliverance") zu bringen. Das kuriose Missverständnis gibt Anlass für ein paar ironische Kommentare Vilas ("Counting yourself, that makes two people who think you're wonderful"), doch obwohl Bescheidenheit ja nicht eben zu Avons Charaktereigenschaften gehört, scheint dieser weniger daran interessiert, seine neugefundene messianische Würde zu genießen, als vielmehr, das Geheimnis um die Prophezeiung zu lüften. Wie sich schnell herausstellt, handelt es sich bei "Deliverance" um eine Trägerrakete, mit der die einstigen Bewohner Cephlons ihr genetisches Erbgut auf eine andere Welt befördern und vor dem nuklearen Holocaust retten wollten. Unglücklicherweise gelang es ihnen nicht mehr, sie zu starten, und so blieb ihre einzige Hoffnung, dass irgendwann Besucher von den Sternen kommen und ihr Werk vollenden würden.
Am Ende der Episode ist Jenna befreit, Avon hat seine messianische Erlösungstat vollbracht, Ensor Jr. ist gestorben, nachdem er in Angst um seinen Vater versucht hat, die Liberator zu entführen, und Blake & Co befinden sich auf dem Flug zur Heimat des genialen Computerwisenschaftlers, um zu verhindern, dass Orac in die Hände von Servalan und Travis fällt, die sich gleichfalls dorthin aufgemacht haben.

Man könnte meinen, Deliverance habe ein ähnliches Problem wie Bounty – die Episode bestehe aus zwei Geschichten, die sich nicht wirklich zu einem befriedigenden Ganzen zusammenfügen. Doch ich denke, in diesem Fall sieht die Situation etwas anders aus.
Thematisch hat die Story um die alte Prophezeiung zwar nichts mit der übergeordneten Handlung zu tun, doch ist sie zumindest einigermaßen organisch in sie eingefügt: Der Versuch, Ensor Jr. zu retten, führt Avon und seine Gefährten auf den Planeten, und die Verzweiflungstat desselben Mannes lässt sie dort für eine gewisse Zeit gestrandet zurück.
Ich will nicht behaupten, die Geschichte selbst sei sonderlich originell,. aber für mich besitzt sie doch ihren Charme. Es ist amüsant, mitzuerleben, wie ausgerechnet der arrogante Avon zu einer gottgleichen Erlösergestalt verklärt wird, und der Start der "Deliverance" ist einer jener grandiosen Low Budget - Momente, die mir jedesmal das Herz aufgehen lassen. Selbstverständlich verfügte Blake's 7 nicht über das Budget, einen Raketenstart darzustellen, also griff man auf Stock Footage - Material zurück, da man dem Publikum zumindest irgendetwas zeigen wollte. Doch während die Rakete zuvor in einem unterirdischen Hangar untergebracht war, sehen wir sie eindeutig von der Oberfläche aus abheben!
Neben diesen neckischen Momenten, führt uns der B-Plot, wenn wir ihn so nennen wollen, außerdem zu diesem wunderschönen finalen Wortwechsel zwischen Blake und Avon:  
Cally: Did she [Meegat] really think you were a god?
Avon: For a while.
Blake: How did it feel?
Avon: Don't you know?
Was den größeren Handlungsbogen um Ensor und seine Erfindung angeht, so legt Deliverance wirklich nicht mehr als die Basis für die nachfolgende Episode. Genaugenommen lässt uns die Folge sogar im Unklaren darüber, was genau "Orac" eigentlich  ist.
Dafür kommen wir erneut in den Genuss einer großartigen Konfrontation zwischen Servalan und Travis.
Dem Space Commander wurde am Ende von Project Avalon sein Kommando entzogen. Um dieses zurückzugewinnen und seine fanatische Jagd nach Blake fortsetzen zu können, zwingt er sich dazu, der Obersten Befehlshaberin etwas diplomatischer und unterwürfiger zu begegnen als zuvor. Servalan durchschaut selbstverständlich seine Motive, was sie ihm auch in gewohnt charmant lächelnder Weise unter die Nase reibt. Keine Frage, sie genießt es, Macht über andere Menschen auszuüben.
Ähnliches haben wir bereits zuvor gesehen, doch was die Szene vor allem auszeichnet, ist Travis' Reaktion auf Servalans offenherziges Eingeständnis, den Tod des Militärarztes Maryatt billigend in Kauf genommen zu haben, wenn sie dabei zugleich Ensor Jr. los wird. Zum leider letzten Mal erhalten wir die Gelegenheit, zu bewundern, wie subtil Stephen Greifs Porträt des Space Commanders ist. Ganz offensichtlich beunruhigt ihn die absolute Skrupellosigkeit seiner Vorgesetzten in diesem speziellen Fall. Dass Maryatt der Arzt war, der Travis'nach seiner  fatalen ersten Begegnung mit Blake das Leben rettete, spielt dabei sicher keine geringe Rolle, doch wenn er von ihm als "a good man" spricht, kommt dabei auch die Anerkennung zum Ausdruck, die der einäugige Offizier bisher stets allen kompetenten und disziplinierten Angehörigen des Militärs entgegengebracht hat. Servalan zeigt sich in dieser Szene als pure Egoistin, die nur an ihren persönlichen Vorteil denkt, Travis hingegen als jemand, der sich bei aller Brutalität doch ein gewisses Maß an Menschlichkeit bewahrt hat, wenn auch in einer reichlich pervertierten Form. Sein Verlangen nach Rache an Blake ist zwar stärker als alle seine Prinzipien, doch scheint er wenigstens noch irgendwelche zu besitzen.


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